„Das war … ja was war das jetzt eigentlich? Ein Punktgewinn? Ein Punktverlust? Ein gutes Spiel? Ein mittelmäßiges Spiel? Ein schlechtes Spiel? Irgendwie genau fest machen lässt sich das ja nicht. Ausgleich in der 92. Minute … super! Zwei bescheuerte Gegentore dank individueller Fehler … katastrophal! Pässe in der Vorwärtsbewegung … oft beim Gegner. Hannovers Offensive so gut es ging im Griff gehabt … das auch irgendwie. Zu viel Platz gelassen zwischen Angriff und Mittelfeld … ja schon. Insgesamt irgendwie die bessere Mannschaft gewesen … das auch.“ So oder so ähnlich dürften die meisten Club-Anhänger versucht haben das Remis gegen Hannover zu analysieren. Ein richtiger Zugriff auf eine in sich schlüssige, stimmige Betrachtung fällt schwer, es sei denn man bedient sich bei Robert Louis Stevenson, der würde die zwei Facetten des FCN einfach Doktor Nürnberg und Mister Glubb nennen.

 

Mister Glubb zeichnete sich durch eklatante Abspielfehler meist aus der Hektik heraus geboren aus. Doktor Nürnberg kombinierte sich in der 92. Minute fein an Hannovers Abwehr vorbei und flankte genau zu Sebastian Polter. Mister Glubb verzog in Form von Hiroshi Kiyotake in der 19. Minute freistehend vor Ron-Robert Zieler, Doktor Nürnberg sprintete als Sebastian Polter in der 92. Minute in die Flanke von Timothy Chandler und verwandelte gekonnt zum 2:2. Die Liste ließe sich noch beliebig lang fortsetzen. Deutlich wurde, dass vieles im Angriffsspiel des FCN stecken blieb, ohne dabei hinter die Offensivleistung unter Dieter Hecking zurückzufallen.

Überhaupt macht der späte Ausgleich nicht nur in seiner Entstehung – die war nämlich dem offensiven Risiko geschuldet und den Auswechslungen des Trainerduos -  den Kontrast zum ehemaligen Trainer deutlich, sondern auch in seiner Existenz an sich. Nicht nur, dass der FCN unter Leitung von „Wiesehahn“ schon jetzt so viele Pausenrückstände zu Punkten gemacht hat wie unter Hecking, er hat in den fünf Spielen unter dem Duo schon doppelt so viele Punkte nach Rückstand geholt wie unter dessen Vorgänger. Es sind deren nur zwei, doch sollte eine derartige Erkenntnis nicht blindlings unter den Tisch fallen gelassen werden. Das 2:2 war ein Ausdruck des Willens und des Wollens.

Vor allem ein Ausdruck dessen, Fehler wieder gut machen zu wollen. Timm Klose war dies relativ schnell gelungen. Beim 0:1 durch Huszti noch von Mister Glubb besessen und zur Slalomstange verwandelt übernahm acht Minuten nach der Pause Doktor Nürnberg den Schweizer und so wurde ein Kiyotake-Freistoß mit dem Hinterkopf unhaltbar ins lange Eck verlängert. Scheinbar war Mister Glubb über diese Entwicklung verärgert und nahm in der 68. Minute Besitz vom Geiste des Vorlagengebers, der spielte einen katastrophalen Fehlpass, den die Gäste sofort zu verwerten wussten.

Doch so wirklich oft konnten diese ihre offensive Klasse nicht unter Beweis stellen. Ein einziges Mal sah man wie schnelles, schnörkelloses und präzises Angriffsspiel Hannoverscher Prägung aussieht, wenn man sie kombinieren lässt. Doch als Diouf plötzlich allein vor Schäfer stand, übernahm Doktor Nürnberg die Kontrolle und löste einen guten Reflex beim Nürnberger Schlussmann aus, so dass dieser ein Gegentor verhinderte. Ohnehin scheint der sich seit einigen Wochen gegen Angriffe von Mister Glubb immunisiert zu haben. Der 34-Jährige ist momentan ein äußerst sicherer Rückhalt; etwas mehr Präzision in den weiten Abschlägen wäre zwar zu wünschen, aber über diesen Makel lässt sich bei den derzeitigen Leistungen hinwegsehen. Hinwegsehen ließ sich auch nicht über die Geburt eines Kultstars, schon vor der Einwechslung des zweiten Japaners Mu Kanazaki hallte es laut und deutlich „Muuuuuuuu“ durchs Stadion. Jeder Ballbesitz wurde ebenso gefeiert. Nach seinem starken Offensivzweikampf, der das 2:2 einleitete war das Feiern umso berechtigter.

Es war am Ende wahrscheinlich das 2:2, das die Debatten bestimmte, da es eine unnötige und unverdiente Niederlage verhinderte und damit auch den Heimnimbus wahrte. Immerhin war der letzte Gast, der in Nürnberg gewinnen konnte, der kommende Gegner, der VfB Stuttgart. Der konnte damals auch nur gewinnen, weil Mister Glubb mit voller Wucht Marcos Antonio in die Glieder gefahren war. Es bleibt zu hoffen, dass der böse Geist die Reise an den Neckar nicht antritt, sondern nur sein positiver Gegenpart, Doktor Nürnberg.

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