Viele Jahre sind wir zu jedem Spiel gefahren, haben Stunden auf der Autobahn verbracht, standen übermüdet auf der Arbeit oder haben jede freie Minute genutzt, um uns mit unserem Verein zu beschäftigen. Das Leben und die Gedanken unter der Woche waren auf den Spieltag ausgerichtet, den Moment, wenn wir das Stadion betreten. Fußball bedeutete Freude, Freiheit und Gemeinschaft!

In all den Jahren wussten wir aber auch, dass sich der Fußball ums Geld(verdienen) dreht und wie profitorientiert das Business geworden ist.

Wir wussten, dass die Anstoßzeiten am TV-Publikum angepasst wurden.

Wir wussten, dass die Spieler nicht für Stadt & Verein, sondern für die eigene Karriere & ihren Geldbeutel gespielt haben. Wir wussten, dass die Geld-Spirale ein Teufelskreis ist und wir wussten auch, dass nichts zurück kommt, weil wir Fans nur eine Randnotiz waren.

Und dennoch haben wir in diesem Spiel eine Rolle gespielt, haben all diese Strapazen gerne auf uns genommen, gemeinsam gelitten und gejubelt. Wir haben uns eine Parallelwelt aus purer Fußballromantik erschaffen, die uns das Gefühl gab, all das sei es wert: die Glubbfamilie.

Die Glubbfamilie machte für uns den Fußball aus und beschreibt am besten, warum ein Spiel eben doch mehr als 90 Minuten dauert. Die Glubbfamilie ist ein positives Beispiel, warum der Fußball ein gesellschaftliches Ereignis und das Max-Morlock-Stadion ein sozialer Ort der Begegnung ist, bei dem die Menschen im Mittelpunkt stehen.

Die Glubbfamilie ist der Grund dafür, warum der 1. FC Nürnberg überhaupt erst so groß wurde - und immer groß bleiben wird! Die Glubbfamilie ist die Seele einer austauschbaren Fußballhülle.

Seitdem jedoch der (Geister-) Ball (und Rubel) nach dem Restart wieder rollt, gleicht der Fußball einem Zombie aus Walking Dead: leblos, ohne Seele, hässlich. Der Fußball droht seine Wurzeln zu verlieren und entfernt sich seit Monaten immer mehr von denjenigen, die er begeistern sollte…

… und wir verlieren die Begeisterung. Mehr noch: Dieser Fußball verliert für uns an Bedeutung und wird nun selbst zur Randnotiz unserer Gesellschaft. Niederlagen schmerzen nicht mehr so sehr, Neuigkeiten vom Valznerweiher interessieren nicht mehr so sehr und ein Kribbeln im Bauch vor dem nächsten Spiel gibts nicht mehr. Die Identifikation sinkt, weil wir zurück gelassen wurden, während die Spiele weitergehen mussten, damit das wacklige Kartenhaus nicht einstürzt.

Haben wir uns früher - trotz aller Schattenseiten - als Teil des Fußballs verstanden, dessen Antrieb die Unterstützung des Vereins war, fühlen wir uns heute ohnmächtig und hilflos. Der Sportpsychologe Markus Gretz schrieb unlängst mit Blick auf die entgegengebrachte Wertschätzung seitens der Vereine gegenüber uns Fans: „Sie sind gut beraten, die Fans aktuell nicht zu vernachlässigen, sie sogar vermehrt einzubeziehen“. Das Gegenteil passiert.

Wir vermissen die gemeinsame Zeit, zusammen im Stadion zu stehen, zu fluchen und zu schreien. Uns in den Armen zu liegen, die rotschwarzen Fahnen zu schwenken und danach noch zwei, drei Bier zu trinken. Noch immer gibt es Möglichkeiten, in diese Parallelwelt zu flüchten. Aber es sind wenige geworden. Das Rot-Schwarze Quartett/Quartier hilft dabei, Erinnerungen nicht verblassen zu lassen. Oft blättern wir in den Chroniken oder alten Archiven, sortieren unsere Schals oder begutachten unsere Trikots. Solange die Sehnsucht besteht, wird auch die Glubbfamilie weiter leben.

Es wäre aber falsch zu sagen: Corona hat unseren Fußball verändert. Der Fußball war schon vorher so. Durch Corona ist jedoch die hässliche Fratze viel deutlicher zum Vorschein getreten. Fußball bedeutet heute Maßlosigkeit und Ignoranz, verändert haben ihn gierige Fußballbosse schon vor Jahren, für die die Show immer weitergehen musste. So auch dieses Mal, koste es, was es wolle. Sogar die eigene Seele.

 

Es ist nicht unsere Schuld, dass die (Fußball-)Welt so ist, wie sie ist. Es wäre nur unsere Schuld, wenn sie so bleibt!

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