Was waren unter der Woche nicht für Beteuerungen zu hören. Die Mannschaft wollte die Pokalschmach ausmerzen, ihr anderes Gesicht zeigen; zeigen, dass die ordentliche Vorbereitung kein Strohfeuer war. Als Fan kennt man derartige Beteuerungen und weiß, dass das die Lippenbekenntnisse sind, die nun mal auf einen Ausflug ins Pokaldeppenland folgen müssen. Was man nicht erwartet ist, dass die Mannschaft tatsächlich wie ein Bundesligist auftritt, das erste Mal seit - auf den Tag genau - 20 Jahren in Hamburg siegt und zum zweiten Mal in Folge das Auftaktspiel gewinnt. Doch genau dies tat das Team des 1. FC Nürnberg am Samstagnachmittag. Natürlich noch mit Rost von 112 Tagen Bundesligapause und mit Hilfe eines schwachen Gegners, aber dennoch mit Recht.

Mit Recht, weil mit Hiroshi Kiyotake erstmals seit Jahren wieder ein Spieler auf dem Platz steht, der das Offensivspiel mit präzisen Pässen gefährlich machen kann. So wie in der 47. Minute als er mit einem kurzen, aber höchstgenauen Pass Mike Frantz frei spielte. Hätte der 25-jährige Saarländer nicht versucht René Adler zu tunneln, es hätte schon kurz nach der Pause 0:1 geheißen. So geschah es erst zwanzig Minuten später. Wieder war Kiyotake beteiligt, seine Ecke köpfte Nilsson noch an die Latte, den Abpraller aber brachte Balitsch im Tor unter.

Dass das Tor so fiel, war in gewisser Weise auch symptomatisch, denn neben seinen akkuraten Pässe brachte der 22-jährige Japaner noch etwas anderes mit: Scharfe, gefährliche Eckstöße. So führte eine dieser Ecken bereits acht Minuten vor dem Führungstreffer eine Riesengelegenheit für die beiden am Tor beteiligten Nilsson und Balitsch. Doch letzterer war zu überrascht für einen platzierten Kopfball als der Schwede einen Schuss von Frantz in seine Richtung abfälschte. Auch vor der Pause war nach einer Ecke eine gefährliche Doppelchance durch einen Kopfball von Klose und den Nachschuss von Esswein entstanden. Hält der Neuzugang aus Osaka das Level, das er an diesem Nachmittag zeigte, er wird eine echte Verstärkung für den Glubb.

Als echte Verstärkung war eigentlich auch Innenverteidiger Marcos Antonio angekündigt worden. Doch der Brasilianer war in der Startaufstellung nicht zu finden. Stattdessen bildeten Timm Klose und Per Nilsson das Duo vor Raphael Schäfer. Die beiden, die obwohl sie seit einem Jahr im selben Verein spielen, noch kein Pflichtspiel miteinander bestritten hatten; die beiden, die in der letzten Saison noch Innenverteidiger Drei und Vier waren. Sie machten ihre Sache zufriedenstellend.

Klose erinnerte größtenteils an den Timm Klose, der zu Beginn der Saison 2011/12 Souveränität und Lufthoheit ausstrahlte, einmal packte er sogar eine Grätsche aus, die verdächtig nach seinem Vorgänger auf der Innenverteidiger-Position aussah. Per Nilsson bemühte sich den Ball zu verteilen und spielte in 90 Minuten keinen Fehlpass, er verlor aber auch noch zu viele Zweikämpfe, 42,3% verlorene Duelle in der eigenen Hälfte ist für einen Innenverteidiger kein vorzeigbarer Wert.

Trotz dieser Zahlen kamen die Hamburger nur zu vier nennenswerten Chancen. Einen Schuss von Aogo davon lenkte  Klose neben das Tor, einen Kopfball von Jansen rettete die Latte in der Nachspielzeit, zwei Kopfbälle von Westermann wehrte Raphael Schäfer ab. So hatte auch der Kapitän seinen Anteil daran, dass am Ende die Null stehen blieb. Vor allem seine Parade in der 72. Minute war ein Reflex, den man so vom 33-Jährigen weder erwartet noch oft gesehen hatte.

So war der erste Erfolg in der Hansestadt seit 1992 auch absolut verdient. Wegen der besseren Spielanlage, des stärkeren Zugs zum Tor und der stabileren Defensive. Er setzt auch den Trend aus dem Vorjahr fort, dass der Glubb die Spiele gewinnt, die er gewinnen muss, um die Klasse sicher zu halten. Im Vorjahr holte er alle 18 möglichen Punkte gegen die Absteiger. Spielt der HSV weiter so wie heute, waren dies die ersten drei auf dem Weg zu einer Wiederholung dieser Leistung durch den FCN.

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