Letzte Heimspiele sind per se Zeiten des Abschieds: Von der Saison, von Hoffnungen, von Spielern. Wer ein Spiel dieser Art mitgemacht hat, kennt sie alle, könnte man meinen. Vor dem Spiel ein bisschen anständiges Klatschen für die Spieler, die gehen, nach dem Spiel eine kleine Ehrenrunde, so läuft das, wenn die Ligazugehörigkeit des Vereins feststeht. Nicht so beim 1. FC Nürnberg, nicht so zur Verabschiedung einer lebenden Club-Legende. Vor dem Spiel, während des Spiels und nach dem Spiel wurde einer gefeiert: Marek Mintál.

 

 

Ihm zu Ehren wurde die Videomontage vor dem Anpfiff so verändert, dass sie nur Szenen von ihm zeigte. Ihm zu Ehren begann der Countdown für die größte Konfetti-Choreographie Deutschlands bei „11“, ihm zu Ehren wurden die ganze Partie hindurch immer wieder Lieder gesungen. Es wäre also passend gewesen, wenn er es gewesen wäre, der das letzte Heimspieltor der Saison 2010/11 geschossen hätte. Doch Tom Starke, der Torwart der Gäste, parierte Mintáls Hammer von der Strafraumgrenze. So gebührt die Ehre des letzten Heimspieltors der Spielzeit doch Philipp Wollscheid. Wenn Marek Mintál die emotionale Geschichte des Spiels schrieb, schrieb jener Wollscheid die sportliche.

 

Schließlich erzielte er nicht nur seinen dritten Saisontreffer (und damit den achten eines Nürnberger Abwehrspielers), sondern leitete mit seinem ersten kapitalen Fehler in 18 Bundesligaspielen kurz vor Ende der Partie den Sieg der Gäste ein. Für den 22-jährigen ist letztere Erfahrung mit Sicherheit die wichtigere. Nach einer ganzen Halbserie auf Höhenflug muss er nun erstmals einen schweren Fehler verarbeiten. Glücklicherweise geschah er in einem Spiel, in dem es dank des Ergebnis aus Gelsenkirchen um nichts mehr ging, so dass sich die Folgen in Grenzen halten. Dennoch ist die Verarbeitung eines solchen Fehlers richtungsweisend für einen jungen Spieler. Gelingt es ihm schnell, ist er danach ein besserer Spieler.

 

Neben dem jungen Innenverteidiger bot keiner der anderen Akteure auf beiden Seiten viel Anlass für eine nähere Betrachtung. Weder Christian Eigler, der nach zehn Minuten einen Ball an die Latte setzte, noch Timothy Chandler, der sich zwar für den Spitznamen „Timmy Turbo“ bewarb, seine Flanken aber unpräzise nach innen schlug. So bleibt für 7. Mai 2011 eben doch nur eine echte Geschichte aus Sicht des FCN: Der letzte Heimauftritt von Marek Mintál. Als nach einer Stunde klar wurde, nun wird er eingewechselt, legte sich ein leichtes Brummen, ein zufriedenes Summen über das Stadion, das einer Explosion mündete als er den Rasen betrat und knapp 47.000 lauthals und mehrmals seinen Namen riefen.

 

Es war nicht das erste Mal, dass das Max-Morlock-Stadion bei einer Mintál-Einwechslung derart explodierte. An einem Freitagabend im August vor fünf Jahren kehrte der damals 28-jährige nach zwei Mittelfußbrüchen und langem Leiden zurück und wurde gefeiert. Es sind jene Erinnerungen und Assoziationen, die den Nachmittag prägen und die das Ergebnis, das um 17:19 Uhr an der Anzeigetafel steht, schnell in den Hintergrund rücken lassen. Stattdessen tauscht man untereinander seine Lieblingserinnerungen an den Mann aus, der im Trikot des FCN dreimal Torschützenkönig wurde.

 

Ganz oben steht bei vielen das 1:1 im DFB-Pokalfinale 2007, das brutale Foul an ihm kurz darauf und sein Jubel auf Krücken nach dem Ende der Verlängerung. Andere erinnern sich an sein allererstes Tor für den FCN: Frankenstadion, Montagabend, August 2003, 15.000 Zuschauer sehen die Absteiger Energie Cottbus und 1. FC Nürnberg aufeinandertreffen. Cottbus führt mit 2:1, als nach 68 Minuten Pavel David einen langen Ball zur Strafraummitte flankt, dort steht ein 25 Jahre alter Slowake, der den Ball aus der Drehung mit dem rechten Fuß im Netz versenkt. Es folgen in acht Jahren 74 weitere Pflichtspieltreffer, darunter auch drei im UEFA-Cup. Es ist diese Nostalgie, diese Erinnerung, die das Stadion an diesem sommerlichen Nachmittag im Mai erfüllt und die Mintál nach dem Spiel einen würdigen Abschied bereitet.

 

Ungefähr zwanzig Minuten wird nach dem Spiel er ganz alleine gefeiert, besungen, zelebriert, in Liedern, Spruchbändern, Fahnen. Der Gefeierte ist ebenso ergriffen wie diejenigen, die ihn feiern. Man merkt, keiner möchte, dass es zu Ende geht und die Hoffnung, dass es ein baldiges Wiedersehen gibt, kulminiert in einer a capella Version des FCN-Hmyne, gesungen gemeinsam von Marek Mintál und der Nordkurve. Am Ende verabschiedet er sich, wie immer zurückhaltend, freundlich, fast ein wenig schüchtern mit den Worten: „Ich liebe euch!“ Wir dich auch, Marek, wir dich auch.

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