Das Augenmerk war auf einen anderen gerichtet: Auf Julian Schieber; auf dessen Rückkehr zum VfB Stuttgart; seine Rückkehr zum einzigen Profi-Verein, für den er bislang gespielt hatte; seine Rückkehr zum Verein, zu dem er im Juli wieder zurückkehren wird. Alle schauten darauf, dass Schieber mit jedem Tor gegen den VfB sich selbst in Richtung zweite Liga schießt. Sie achteten darauf, dass Schieber im ganzen Spiel nicht jubelte, nicht lächelte: Nicht nach seiner Vorlage, nicht nach seinem Tor, nicht einmal nach dem Ende der 90 Minuten, als der 1. FC Nürnberg den VfB Stuttgart mit 4:1 besiegt hatte. Kaum jemand achtete auf den 20-jährige Deutsch-Amerikaner, der das Spiel mit den gleichen Statistiken wie Schieber verließ: Ein Tor, eine Vorlage.

 

Timothy Chandler stand an diesem Samstagnachmittag zum ersten Mal in einem Bundesligaspiel in der Startelf. Er ist in dieser Spielzeit bereits der vierte Startelf-Spieler, der zu Beginn der Saison noch für eine der Nachwuchsmannschaften des FCN aufgelaufen war. Genau wie vor ihm Marvin Plattenhardt, Philipp Wollscheid und Markus Mendler, hinterließ auch Chandler einen guten, ja einen sehr guten Eindruck. Nicht nur, weil er vor dem 1:0 Molinaro so stört, dass er den Ball Timmy Simons vor die Füße schlägt; nicht nur, weil er beim 2:0 den Ball Julian Schieber den Ball präzise auf den Kopf serviert; nicht nur, weil er beim 3:1 perfekt mitläuft und so den Konter vollendet; sondern auch, weil er seine defensiven Aufgaben in dem Maße erfüllte, wie man es von jemandem in seinem vierten Bundesligaspiel nicht unbedingt erwarten konnte.

 

Chandler reihte sich damit in eine Mannschaftsleistung ein, die taktisch kaum disziplinierter und zielstrebiger hätte sein können. Die Erfolgsformel aus den beiden vorangegangenen Heimspielen, aggressiv im Zweikampf, omnipräsent im Stellungsspiel, zielstrebig im Vorwärtsdrang, wurde noch ein wenig eleganter, noch ein wenig flüssiger umgesetzt. Die Gastgeber fanden zu keinem Zeitpunkt ein Mittel gegen diese Herangehensweise, leisteten sich viele Fehler in der Vorwärtsbewegung und waren fast immer zu spät im Zweikampf. Exemplarisch hierfür waren einerseits die Tore des FCN, bei denen jedes Mal ein Schwabe einen Schritt zu spät war, andererseits aber auch die wenigen Chancen des VfB bei denen immer ein Nürnberger schneller am Ball war: Wolf nach Pogrebnyaks Hereingabe, Pinola vor Molinaro.

 

Wäre da nicht die kurze Phase zwischen den glücklichen 1:2 des VfB und Chandlers 3:1 gewesen, es wäre ein nahezu perfektes Spiel gewesen. Doch auch diese kurze Zeit bis zur Wiederherstellung des Zwei-Tore-Abstands – es waren nur sechs Spielminuten, aber dazwischen lag eine Pause, in der man sich als Nürnberger genug Sorgen machen konnte – diente als Beweis dafür, wie sehr das Team sich weiterentwickelt hat. Keine Selbstzweifel, kein Wackeln, kein unnötiges Zittern, stattdessen schnell ein eigenes Tor erzielt, dem Gegner den Wind aus den Segeln genommen und ihm knapp zehn Minuten später das Segel in Brand gesteckt.

 

Die letzten dreißig Minuten, die auf Ekicis 4:1 folgten, verbrachten beide Teams dann im Niemandsland, gehüllt in das Wissen darum, dass das Spiel gelaufen war. Jenes Niemandsland dürfte für den FCN für den Rest der Saison auch das eigene Zuhause werden. Nach unten wie nach oben ist der Abstand groß genug, so dass der Glubb sich weder in die eine noch in die andere Richtung bewegen dürfte. Die Weichen für die kommende Saison können also frühzeitig gestellt werden. Ein Wettbewerbsvorteil, der nicht verspielt werden darf. Das Augenmerk aller Betrachter wird anderswo liegen, auf Dortmund und München, auf Gladbach und Stuttgart. Es bleibt zu hoffen, dass sich der FCN verhält wie Timothy Chandler gegen Stuttgart und eine sehr gute Leistung erbringt, während der Rest sich auf das Offensichtliche konzentriert.

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